Tante Mimis Hämorrhoiden

Gedanken versunken genieße ich die Frühlingssonne auf der Terrasse.
Ich sehe mich 45 Jahre zurück mit drei Jungens auf der kleinen Brücke über den Kanal. Es ist Sonnabendnachmittag. Warm scheint die Herbstsonne. Wir lehnen uns über das Brückengeländer und spucken ins Wasser. Schnell treibt die Spucke mit der Flut davon.

Mein Opa trägt noch eine Nachtmütze und ein Nachthemd, sagt Hannes leise und spuckt wieder ins Wasser. Eine Nachtmütze, fragt Christian. Wie Onkel Fritz von Wilhelm Busch, sagt Hannes. Wir lachen und stellen uns Onkel Willi mit Nachthemd und Zipfelmütze vor.

Onkel Willi war sehr groß. Vielleicht 1,90 m aber spindeldürr. Tante Mimi, seine Frau, war sehr klein und pummelig. Sie litt sehr unter Hämorrhoiden. Auf ihrem Fahrradsattel hatte sie ein Sofakissen gebunden. So konnte sie ihre Hämorrhoiden unbeschadet durch die Gegend schaukeln.

Es war schon ein Bild zum Kichern, wenn Onkel Willi und Tante Mimi Sonntags mit dem Fahrrad zur Kirche fuhren. Onkel Willi hatte immer eine Prinz Heinrich Mütze auf dem Kopf. Kerzengerade saß er auf dem Fahrrad und immer qualmte seine Pfeife. Tante Mimi schaukelte dann immer hinterher.

Für uns Jungens gab es nur noch den Wunsch, Onkel Willi im Nachthemd und Nachtmütze zu sehen. Hannes zeigte uns das Schlafzimmerfenster seiner Großeltern, das sich gegenüber der Straßenseite direkt am Kohlfeld befand.

Pünktlich um zehn legten sich Heini, Emil und Christian auf die Lauer.

Onkel Willi kam ins Schlafzimmer und knipste das Licht an. Bis auf Unterhemd und Unterhose war Onkel Willi schon ausgezogen. Sein Nachthemd und auch seine Nachtmütze lagen säuberlich auf seinem Bett. Onkel Willi nahm sein Hörgerät aus dem Ohr und zog sich sein Nachthemd an. Als er sich dann noch die Nachtmütze aufsetzte, schüttelten sich die Buben vor dem Fenster vor Lachen.

Tante Mimi kam im Nachthemd ins Schlafzimmer und legte sich ins Bett. Auch Onkel Willi legte sich schlafen und knipste das Licht aus.

Die Jungen wollten sich gerade davon machen, als es im Zimmer wieder hell wurde.

Tante Mimi krabbelte aus dem Bett, wackelte zum Frisierspiegel, drehte sich um, bückte sich, zog ihr Nachthemd hoch, zog ihre großen Pobacken auseinander und betrachtete im Tal der Finsternis sorgevoll ihre angeschwollenen Hämorriden im Spiegel. Mit hochroten Köpfen standen die Jungen vor dem Fenster.

Schreiend vor Lachen rannten sie dann durch das Kohlfeld davon. Noch lange hörten sie Onkel Willi schimpfen. Die Jungen jedoch waren in Sicherheit und der Meinung, das ein schöner Tag zu Ende gegangen sei.

"Rolf Grebener"

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