Das Knistern

Wir schreiben mal wieder Dezember. Schon wieder geht es auf Weihnachten zu, auf das große helle Licht mit der schönen Wärme – mitten im kalten Winter. Das raschelt und knistert in allen Ecken. Der eine kommt mit diesem nach Haus, der andere mit jenem. Und wenn er seinen Kram so einigermaßen wegpacken und verstecken will – dann liegt da schon was und das darf man auch nicht wegnehmen und darf es auch nicht auswickeln.

"Wer hier rumschnüffelt, kriegt nichts zu Weihnachten" sagt Mutter. "Nee, Mutter, ich wollte ja auch gar nicht rumschnüffeln" sagt unser kleiner Philipp, "ich wollte ja bloß sehen, was es ist" "Nee, sollst du auch nicht Du sollst warten, bis es soweit ist" "Ooch – bis das soweit ist -? Dann krieg ich das ja meinlebtag nicht zu wissen und zu sehen?" Unsre kleine Ulli hat beide Hände unter der Schürze: "Mutter, wohin kann ich noch mal was – für dich – so gut verstecken, dass du es gar nicht finden kannst?" "Ach, beste Deern", sagt Mutter. "Wie groß ist es denn?" "Ja, – das ist so — so – als wenn du zwei so kleine Topflappen in Papier wickelst" "Nee – zwei kleine Pottlappen -? Und die soll ich zu Weihnachten haben? Hast du die denn selbst gehäkelt -?" "Ooch, Mutter, nun hast du das ja schon wieder erraten. Das sollst du doch noch gar nicht wissen"

"Ich weiß nicht", sagt meine Frau gestern morgen, "hier stinkt doch was in der Stube?" Ich sage: "Gedacht habe ich mir das auch mal, aber – das müsste dann wohl von draußen kommen – vielleicht vom Mülleimer her -?" "Ha, wie sollte das wohl", sagt meine Frau. "Der Mülleimer ist leer und sauber, und steht sieben Meilen hinterm Haus? – Nee, nee, das muss hier in der Stube sein. – Und das stinkt wie die Pest" "Kann ich nicht riechen" sagt unser kleiner Philipp und schwingt seinen Ranzen auf den Buckel und geht zur Tür: "Mutter, wenn du hier rumschnüffelst -? Du weißt doch, was du gesagt hast -?" "Ja, weiß ich. Mach du mal , dass du in die Schule kommst. Die Uhr ist schon 10 Minuten nach" Und sie bringt ihn noch schnell an die Haustür, und geht wieder in die Küche.

Aber wie sie so nach einer halben Stunde wieder in die Stube kommt, fängt sie doch gleich wieder an zu schnüffeln. "Kinder nein – das wird ja immer toller – mit dem Gestank. Dass du das nicht riechen kannst?" "Aach", sage ich, "wenn man hier so sitzt – und wenn du das nicht anders weißt, — die Menschen gewöhnen sich ja an alles". Aber nun gibt es bei meiner Frau kein Halten mehr. Nun will sie wissen woher der Gestank kommt. Und nun riecht sie in alle Ecken rein und schnüffelt sich so langsam an die Kommode heran. "Hier muss es sein Hier kommt das raus – Wie so’n Stück faules Fleisch – oder ne tote Ratte – vielleicht unter der Kommode? – Ach, du könntest mir ja auch mal ein bisschen helfen – Immer und immer an deinem ollen Schreibtisch" "Ja, nun, – wenn das so ist, und wenn das sein muss – dann kann ich ja mal eben aufstehen". – Ich gucke unter die Kommode – nix zu sehen. Aber riechen tut das da, ja -das kann ich in der Nase spüren. Ich ziehe die unterste Schublade mal eben auf – Philipp sein Schubfach – und muss schleunigst den Kopf wieder zurückziehen – so stinkt das da raus.

Und – ja – da ist es auch. Hinten in der Ecke – in so einer alten Pappschachtel – hat unser kleiner Philipp sich drei solche großen "Kücksen" versteckt, so große spitze Muscheln mit einer Art Krabbe – mit so ’nem Einsiedlerkrebs drin. Die hat er schon vor drei Tagen von unserm Nachbarn, einem Seefischer, bekommen und hat sie fein unter in die Kommode reingepackt – will er seiner Mutter zu Weihnachten schenken. Sie sehen ja ganz schön aus, die Dinger, – und sind auch ’ne "richtige Seltenheit". Aber wenn sie schon 5 Tage tot sind, dann stinken sie wirklich – wie die Pest. "Raus mit dem Zeug" sagt meine Frau. "Und ganz weit weg Hinten auf’s Land. Und dann – alle Fenster auf Dass der Gestank rauskommt" "Darum sei man nicht traurig, Philipp", sagt unsre kleine Ulli mittags zu ihm. "Lass die ollen Muscheln man sausen. Ich weiß noch was ganz anderes, was du Mutter zu Weihnachten schenken kannst. Komm nachher mal mit raus, dann gebe ich dir das."

Und ’ne halbe Stunde später, wie unsere Mutter wieder in der Küche ist und abwäscht – da sitzt unser kleiner Philipp schon – krumm wie ein Flitzebogen – in der Stube auf einem Stuhl und hat ’ne kleine feine Decke für unsern Brotkorb auf den Knien liegen, und ist wie toll am Sticken: Da sollten ein paar bunte Blumen drauf. "Feine Kreuzstickerei", sagt Ulli dazu. Und sie zeigt ihrem Philipp-Bruder, wie er die Nadel anfassen soll. "So, und nun hier reinstechen, und da wieder raus. – Und nun hier wieder rein und da wieder raus. Und dann von da wieder hierher – Und dann nimmst du mal wieder ’nen grünen Faden" Und mit einem Mal geht die Tür auf, und unsere Mutter kommt rein. Und Philipp will schnell aufstehen und will die kleine Decke wegstecken. – Und da – da – da kann er das gar nicht so schnell – da geht das nicht. Er hat sich die kleine Decke an der Hose festgenäht, an seiner eigenen Büx, gerade über dem Knie. Und nun steht er da und ist dicht vor dem Brüllen. Und unsere Mutter kriegt das Grinsen und ich weiß nicht was ich machen soll.

Und in wenigen Tagen ist Weihnachten – Was soll unser Klein-Philipp sich nun bloß noch ausdenken und ausklamüsern? Kaufen mag er nicht gern etwas – und er hat ja auch kein Geld. – Wenn ihr noch was wisst, dann sagt ihm doch schnell mal Bescheid. Aber so, dass seine Mutter das nicht hört Die soll das ja noch nicht wissen.

"R. Kinau"

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Weihnachten
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