Ich bin ein kleiner Cherubim
und sing im Himmelschor.
Dass wir hinab zur Erde ziehn
kommt nur ganz selten vor.
Einmal nur wars vor vielen Jahrn
soweit ich das noch weiß
und das war völlig abgefahrn,
ganz ehrlich, ohne Scheiß
Noch klitzeklein ich damals war,
ja, fast noch nicht zu sehn,
doch das, was damals dann geschah,
das war so wunderschön,
dass ich es nie vergessen kann
so was gibts einmal nur.
So hört Euch die Geschichte an,
die mir da widerfuhr:
Wir hatten fleißig schon geübt,
die Stimmen fein geölt,
damit kein Ton die Stimmung trübt,
der nicht ins Lied gehört.
Da rief der HERR uns nachts zu sich
und sprach: Es ist so weit:
Den Menschen meinen Sohn schenk ich
So macht Euch nun bereit.
Denn Ihr sollt künden aller Welt,
dass Gottes Sohn geborn,
er ist dem Mensch zur Seit gestellt,
zum Heiland auserkorn.
So geht mit meinem Segen dann
und singt so laut es geht,
dass alle Welt es hören kann
und wirklich es versteht.
Wir flogen dann in Formation
in Richtung Erde los.
Ich machte mir Gedanken schon:
Wie machen wir das bloß?
Die Landung dort auf einem Dach
so war es vorgesehn
machte mich schon im Magen schwach,
wollt fast vor Angst vergehn.
Doch kamen alle glücklich an,
das Gedränge, es war groß,
denn alle wollten ganz dicht ran
an das Kind auf Marias Schoß.
Da ich nun mal der Kleinste war,
wurde ich abgedrängt.
Ich sah von weitem goldnes Haar
und hab mich vor gezwängt.
Plötzlich stand da etwas vor mir,
ein Ochse oder so
auf jeden Fall ein Berg von Tier –
ich kam mir vor wien Floh.
Die Nüstern waren weit gebläht,
es sah auf mich herab
und ich stand da, war fast gelähmt,
wähnte mich schon im Grab
Da sprach es mich auf einmal an
und sagt: Du kleiner Wicht,
kommst gar nicht an die Krippe ran,
siehst hier nur etwas Licht.
Kletter doch einfach an mir hoch,
dann kannst du besser sehen;
auf meinen Schultern liegt das Joch –
darauf kannst Du gut stehen
und schaust direkt ins Angesicht
dem kleinen Christuskind.
Nun mach schon hin, du kleiner Wicht,
und komm herauf geschwind.
Diese Idee fand ich famos,
ließ mich nicht lange bitten
ich zog hier grad das große Los,
das war ganz unbestritten.
Ich packte ihn an seinem Schwanz
und hangelte mich hoch
und hab dabei vergessen ganz:
ich kann ja fliegen doch
Als ich dann endlich oben war,
da fiels mir wieder ein
ich schüttelte mein Flügelpaar,
um sicher auch zu sein,
dass alles noch an seinem Ort,
dort, wo es hin gehört.
Da flog ein Federchen wohl fort
und hat das Kind gestört
Jedoch der Knabe weinte nicht,
im Gegenteil, er lacht –
ich hatte aus Versehn ihm schlicht
ein Spielzeug mitgebracht
Und wie sein Blick so auf mir ruht
wurd mir ums Herz ganz leicht.
Es schoß heraus der Töne Flut,
die Angst der Freude weicht.
Ich sang mein Lied für ihn allein,
und er nahms strahlend an,
fiel froh mit Babyglucksern ein,
und alle freuten sich dran.
Später dann flogen wir zurück
gen Himmel hoch empor.
Ich war noch immer ganz verzückt,
sein Lachen noch im Ohr.
Noch heute denk ich oft zurück
an diese besondere Nacht,
in der das Christkind ich beglückt,
weil eine Feder sich los gemacht
"R. Köhler"