Noch mehr Essig

Nein, nein, vollendet ist es nicht,
was da der Essigparre spricht;
jedoch mach ich mir nichts daraus
und druck es für heut abend aus:

Es kann ein Mensch gar manche Sachen
doch schwerlich jedem recht es machen.
Es sind die Menschen unterschiedlich –
so sag ich gern es schiedlich-friedlich.
Einer trägt Gammel-Jeans, der andre Frack.
So ist es nun mal beim Geschmack.

Dass solches auch beim Essig ist,
zeigt dir zum Beispiel der Purist.
Wo andere auf die Vielfalt setzen,
wird Einfältigkeit ihn mehr ergötzen
und er mag es knochentrocken.
Da wär so mancher von den Socken,
für den beim Weine sind das Beste
– wenn durchgegoren – Süßungsreste.
Er mag, was ist in unsrem Land
als Raddengaggel wohlbekannt.

Und wie bei einem trocknen Wein
kann Essig ihm nie zu sauer sein.
Er nimmt ihn auch nur beim Salate –
für Süßspeis ist er ihm zu schade.
Oder für der Verdauung Säfte
und des Magens gute Kräfte.
Er trinkt auch Schnaps und nicht Likör,
quält ihn das Leben sorgenschwer.
Und will auch stets – ich geb mein Wort –
Tag für Tag die gleiche Sort.

Sein Wesen – sag ich ungeniert –
sei toleriert und akzeptiert.
Doch ist es meine Sache nicht,
sag ich, der da viel lieber spricht
wo Süßes und Säure dich verwöhnt,
weil miteinander wohl-versöhnt.
die Dingen sind im Gleichgewicht –
das ist für mich wie ein Gedicht.
Doch denk mir keiner von ihm schlecht.
Nur macht man es nicht jedem recht.

Man siehts auch an jenem Botticelli, dem Fäßchen –
der wohnt vielleicht in deinem Gäßchen.
Der wird an vielem schnabulieren –
und mancherlei gern ausprobieren –
egal ob dieses ist gesund –
Hauptsach: es ist ihm wohl im Mund.

Es würd wohl Vater Kneipp ihm sagen:
Was dir fehlt, ist ein zweiter Magen.
Es ist nun einmal bei ihm so –
Liebt süß nur den Balsamico –
so fällt mir dieses eben ein:
Der kann nicht süß genug ihm sein.
Um süßen Geschmack drum bei ihm geht es
und hat vielleicht doch Diabetes,
auch wenn er sich nicht halten tät
an die verschriebene Diät.

Ich kann im Grund ihn auch verstehen.
Doch musst am eigenen Leib ich sehen:
Ist ein Essig auch gesund –
und abgeschmeckt gar lecker – rund,
so soll man`s doch nicht übertreiben
auch hier: beim rechten Maß stets bleiben
Denn auf die Dauer ungesund
macht er am End dich selber rund.

So griff ich zum Gemüßesaft
mit Essig mit der Kräuter Kraft
und war im Garten auf der Pirsch
nach Brennesselkraut, Petersilie und Giersch.
Drum sag im Ernst ich – nicht als Spaß –
Nimm Essig süß nicht im Übermaß.
Da ist auf Dauer nicht zu spaßen.
Darum genieße ihn in Maßen.

Ihr kennt den Doktor Eisenbarth,
der da kuriert nach eigner Art
und machet, dass die Lahmen sehn
und dass die Blinden alle gehn.
Er liebt – was ist da schon dabei –
am liebten bittre Arzenei.

Und meint, was bitter sei dem Mund,
das sei dem Leib auch sehr gesund.
Er hat im Grund durchaus auch recht –
Doch ungesüßt wird mir da schlecht.
Ich habs beim Enzian ausprobiert –
und ich war danach kuriert.

Nicht wie es vielleicht könnte sein
gar von manchem Zipperlein –
sondern war gar sehr verdrossen
als den Enzian ich genossen.
Was ich gedacht für nen viertel Liter,
war so entsetzlich krottenbitter,
dass ich`s tat gar rasch und schnelle
verdünnen mir mit Gleisweiler Hölle.
So den Bitterwert beschänkt
hab gern ich diesen ausgeschenkt –
und gut gesüßt ihn unverdrossen –
mit großem Wohlgefall`n genossen.

Ein Faulpelz wird kaum Essige mischen
wird er dir Salate auftischen
und macht es so – ich sag wie es ist –
wie der bereits genannte Purist;
zu nehmen ist bei ihm nicht Sitte
heut etwas Himbeer – morgen Quitte
zum Apfelessig beim Salat hinein –
wie es für mich zum Beispiel fein.

Nein, das ist seine Sache nicht,
weil er nur auf das immer Gleiche anspricht.
Doch sag ich nochmals friedlich:
Geschmäcker, die sind unterschiedlich.
Soll jeder so wie ers öcht treiben –
doch werd auch ich bei meiner Erfahrung bleiben.

Und lasse von dieser Erkenntnis nicht:
Bring Süßes und Saures in Gleichgewicht

"Helmut Priester"

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