Ich weiß nicht, ob sich schon irgendjemand darüber Gedanken gemacht hat, außer mir und evtl. dem Geburtstagskind.
Täglich werden dutzende von unbescholltenen Bürgern 50. Besonders in letzter Zeit Fällt Ihnen das nicht auf???
Der Jahrgang 1954 muss ein besonders geburtenfreudiger gewesen sein. Und da scheint es mir doch angebracht, den unzähligen Angehörigen, Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten des betroffenen runden Jubilars einige Anleitungen zu geben, wie solch prekärer Geburtstag mit Takt und Vorsicht in Bahnen gelenkt werden kann, die weder familienfeindlich noch existenzbedrohend sind.
Es ist keine leichte Aufgabe einem guten Menschen zu seinem 50. Geburtstag zu kondolieren. Aus der Blüte seiner Jahre gerissen, wird er völlig unerwartet in die zweite Hälfte seines Lebensjahrhunderts gestoßen und damit ohne jede Vorwarnung zum Halbgreis erklärt.
Verstört blickt er sich in dieser neuen Welt um, die für viele das Jenseits von Gut und Böse bedeutet. Das welke Auge starrt ungläubig in den Spiegel.
Er mag Trost darin finden, dass sein Gesicht nicht mehr so einfältig ist wie früher. Es ist vielfältiger geworden. Vor allem die Stirn, die er ein halbes Jahrhundert dem Schicksal geboten hat, ist jetzt höher und freier.
Bestürzt zählt er die verbliebenen, die grauen Haare, gibt schließlich bei einer dreistelligen Schnapszahl seufzend auf. Erstmals empfindet er aus tiefstem Herzen Ehrfurcht – oder eher Furcht und Grauen – vor dem grauen Haar. Vor jedem einzelnen.
Und dann kommen die Gratulanten. Zynisch erscheinen sie ihm, hämisch grinsend, schadenfroh und heuchlerisch, aber auch zuweilen von aufrichtigem Mitleid erfüllt. Tröstenden Zuspruch auf den Lippen, im Gewande jedoch den Dolch, den sie mit gerührten Glückwünschen genüsslich in der Wunde drehen. Randvoll von gnadenloser Barmherzigkeit.
Hier sollte man vor allen Dingen niemals vergessen:
Auch 50-Jährige sind Menschen – ja gerade 50-jährige
Denn es gibt nur wenige Säugetiere, die dieses Alter erreichen. Die so oft erprobte und hervorragend bewährte Redewendung "So alt wird kein Schwein" kann also gerade bei 50. Geburtstagen nur wärmstens empfohlen werden.
Der Mensch und vor allem der 50-jährige, ist ein sensibles Wesen und bedarf der moralischen Aufrichtung
Man begehe also niemals den Fehler, einem Mann ohne Not, sein Alter an den Kopf zu werfen und aus seiner unbewegten Miene zu schließen, man habe keine klaffende Wunde in seinem Herzen hinterlassen. Männer sind um ein weiteres falsches Klischee zu torpedieren – bessere Schauspieler als Frauen.
Ich empfehle den Anwesenden deshalb in der nächsten Zeit mit unserem Karl etwas rücksichtsvoller umzugehen, jede auch noch so geringe Leistung gebührend zu würdigen, jede evtl. noch vorkommende Leistungssteigerung jubelnd herauszustellen und besonders über sein Halbgreisenalter von nun an nicht mehr zu reden
Dafür lebe er lieber mit uns, für uns, lange noch
Dreimal Hoch dem _____