Zum 60. Geburtstag eines Skatspielers

10 – 20 – 31 – 42 – 46 – 56 – 58 – 60 – oh hast Du ein Pech. Du hast verloren und Du weißt auch, was die Skatspieler dazu sagen: „Am Arsch gespalten".

Endlich gibt es wieder „Vitalis-Bräu", ich sehe schon, wie uns das schmeckt.

Aber ich will jetzt keine Worte mehr über Deine verlorene Runde verlieren, sondern Dir das Skatspiel einmal philosophisch näher bringen (wem das im Verlauf zu langweilig wird, kann die Gelegenheit zu einem Besuch der Toilettenanlagen nutzen):

Skat ist seinem Wesen nach ein bürgerlich-kapitalistisches Spiel. Nicht Mann gegen Mann, nicht millimetergenaue Gleichheit der Voraussetzungen, nicht von Angesicht zu Angesicht mit uneingeschränkter Einsicht in die Verhältnisse, die "Vermögenslage" des anderen, sondern eine zufällige, meist ganz unterschiedliche Verteilung der Grundausstattung unter drei Spielern, so unterschiedlich, wie das Leben die Güter verteilt.

Das Spiel macht, wer das nötige Grundkapital hat oder glaubt es zu haben. Allerdings muß er gegen zwei Gegner antreten. Wer zuwenig besitzt, um sich "selbständig" zu machen, geht eine Partnerschaft ein, nimmt einen Teilhaber. Das bedeutet, der Gegner dieses Spieles kann der Verbündete im nächsten Spiel sein. Die Ehre zählt wenig.

Auch bei unseren Spielen geht es nicht um die Ehre, nicht eigentlich um Sieg, schon gar nicht um die Vernichtung eines unabänderlich feststehenden Gegners; sondern um Gewinn, eigentlich noch nicht mal das, Hauptsache die Runde verliert ein Anderer (es gibt Wittmann- Bräu, Prinz-Bräu, Hohnrath- Bräu oder Paulaner).

Der Wert der Karten wird einzig von den Punkten bestimmt, die sie einbringen. Der König zählt wenig (im Gegensatz zum feudalen Schachspiel), er liegt unterhalb der Mitte und kommt niemals zu einer herausgehobenen Stellung. Die Dame zählt hier im Gegensatz zum Leben noch weniger. Das Sagen haben die "Buben", allerdings bringen sie persönlich wenig ein. Das Interesse gilt nicht den Personen, sondern der Zahl, denn über Sieg oder Niederlage, genauer: über Gewinn oder Verlust entscheidet einzig die erreichte Punktzahl, das eingebrachte Kapital.

Liegt der Reiz des Schachspiels in der Chancengleichheit, so liegt der Reiz des Skatspiels in der ständig neuen Ausgangssituation und der Unvorhersehbarkeit. Nicht nur, was ein Spieler an Grundkapital zugeteilt bekommt, liegt in Fortunas Hand, sondern auch daraus, wie das restliche Kapital unter den beiden anderen Spieler verteilt ist, ergeben sich im Spielverlauf glückliche oder unglückliche Umstände.

Die Grundausstattung ist die eine Seite, die andere ist die Tüchtigkeit, die mehr als beim Schachspiel aus Spekulation und Risikobereitschaft besteht und – im Gegensatz zum Brettspiel – aus Gedächtnis. Ist das Denken beim Schach fast ausschließlich nach vorn gerichtet, auf das Kommende, so mußt Du beim Skat nach rückwärts, an das Vergangene denken. Nur wer sich merkt, was die Mitspieler bisher abgegeben haben, kann vorausberechnen, was sie noch haben und in wessen Hand dle entscheidenden Karten stecken könnten. Einsehbar sind ja nur die momentan in der eigenen Hand befindlichen Karten, alles andere muß aus dem Spielverlauf geschlossen oder vermutet werden.

Wer das Spiel macht, bestimmt was Trumpf ist. Rot ist "Mode" in diesem Spiel, Schwarz kann es im nächsten Spiel sein. Wie es im Wirtschaftsleben rote und schwarze Zahlen gibt, gibt es hier auch magische Zahlen. Von denen hast Du heute eine erreicht, nämlich die über Gewinn oder Verlust entscheidende 60-Punkt-Marke.

Mach Dir aber keine Sorgen: diese willkürliche Trennungslinie besteht so im wirklichen Leben nicht. Du kannst daher beruhigt weiter mit uns Skat-Spielen, auch wenn Du in Ausnahmesituationen ein Null-Spiel versuchen wirst, wo es gilt, nichts zu erwerben, alles abzustoßen, die Aktien zu verschleudern.

Zum Schluß ein Wort für Dich: Du spielst so gerne Skat, lerne es endlich doch mal

"Karl-Heinz Wittmann"

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